Schauspieler Karl-Heinz Deichelmann und die Musiker Katharina und Christian Schmitt entfachten ein Feuerwerk der guten Laune.
WORMS - Ein Feuerwerk des Sprachwitzes und der guten Laune entfachten Schauspieler Karl-Heinz Deichelmann, das Musiker-Ehepaar Katharina und Christian Schmitt und Hans-Dieter Elbert, Pfarrer im Ruhestand, mit ihrer Christian-Morgenstern-Soiree „Und schiefe Scheitel kämmt der Wind“, die in Kooperation mit dem Inner Wheel Club Worms (Präsidentin: Dr. Christiane Kuckatz) am Samstag und Sonntag je zweimal in der Reihe „Literatur im Schloss“ zu erleben war.
Moderator Elbert beschränkte sich zugunsten der Rezitationen auf wesentliche Informationen. Er berichtete, dass Morgenstern (1871-1914) bereits mit 22 Jahren den ersten Tuberkuloseanfall hatte. Ab dann habe sein Lebenskampf als Lungenkranker begonnen, den er im im Alter von nur 43 Jahren verloren habe. Er wolle „Verschiedentliches mit gutem Lachen loswerden", habe er nach dem ersten Krankheitsschub geschrieben. „Seine Humorgedichte waren sein Lebenselixier und sein Therapeutikum“, schlussfolgerte Elbert. Beflügelt wurde Morgenstern dabei von einer Gruppe von Berliner Bohemiens, die sich durch den Besuch einer mittelalterlichen Hinrichtungsstätte dazu hatten anregen lassen, den Bund der Galgenbrüder zu gründen und in dieser Gemeinschaft allerlei geheime Rituale zu praktizieren. Erst neun Jahr später habe Morgenstern die schriftlichen Früchte dieser Treffen veröffentlicht und damit, anders als mit seinen romantisch-besinnlichen Insgesamt 47 seiner Opusculi, „Werkchen“, wie er sie nannte, waren zu hören, eingerahmt vom Dichter-Wort an die Leser („Reine tiefe Bildnerlust hat mich stets getrieben“) und der „Legende“, die als sein Vermächtnis zu verstehen ist. Jedes dieser kleinen Poeme, lebendig und taufrisch wie gerade gereimt, ist ein Juwel an Sprachwitz und Schöpferkraft, denn anders als beim Palmström, Morgensterns bekanntester Figur, der feststellt, dass nicht sein kann, was nicht sein darf, darf beim Dichter alles sein: Mit spielerischer Leichtigkeit überschreitet er nicht nur die Grenzen der Sprachlehre, sondern überhaupt alles Denkbaren, ob er nun ganz neue Tiergattungen, wie das Nasobem, das Mondschaf oder das Geierlamm erfindet oder absurde Vorkommnisse, wie das wandernde Knie, den sprechenden Gaul, die drei tanzenden Hasen oder den Werwolf, der in Tränen ausbricht, weil er nicht im Plural gebeugt werden kann.Diese Gedichte sind nicht leicht zu rezitieren, denn so exzellent sie sich auch reimen, stellen sie doch hohe Anforderungen an Hirn und Zunge. Karl-Heinz Deichelmann gelang es hinreißend – und ohne Versprecher –, jedem dieser kleinen Meisterwerke sprühendes Leben einzuhauchen, selbst den scheinbar sinnfreien Gedichten KM 21, der Rabe Ralf oder das Große Lalula. Die Musik, die Christian Schmitt (Klavier) und Katharina Schmitt (Cello) mit viel Bedacht und Wissen ausgewählt hatten, Stücke von Alois Hába, Robert Schumann, Claude Debussy, Paul Hindemith, Cesar Cui, Friedrich Gernsheim, Gabriel Pierné, J. S. Bach und Erwin Schulhoff, griff wunderbar die Stimmung der Gedichte auf und bewegte sich sich in der Ausführung auf dem gleichen hohen Niveau wie die Rezitationen. Für dieses spritzige Vor-Silvester-Vergnügen gab es zu Recht viel begeisterten Beifall
(Wormser Zeitung 30.12.2019, Ulrike Schäfer)